BaseV Projekt mit allen Beteiligten und Elektroautos im Hintergrund.
Blog | Oktober 2021

Forschungsprojekt BASE.V

Ist nachbarschaftlicher Stromhandel der Energiemarkt der Zukunft?

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Content Team

Immer mehr Hausbesitzer in Deutschland möchten ihren Teil zur Energiewende beitragen und entscheiden sich für eine Photovoltaikanlage und häufig auch für einen Stromspeicher. Doch trotz der steigenden Zahlen, sind solche Haushalte bisher noch nicht der Standard und machen insgesamt nur einen geringen Teil aus. Aber was wäre eigentlich, wenn nahezu alle Haushalte einer Gemeinde Strom mit ihrer eigenen PV-Anlage herstellen, die überschüssige Solarenergie speichern oder für ihr Elektroauto nutzen würden? Welchen Einfluss hätte das auf die Stromnetze und welche Anreize ließen sich setzen, um dafür zu sorgen, dass der Strom in der Regel dort verbraucht wird, wo er auch produziert wird – nämlich in der Gemeinde und der Nachbarschaft? Und werden konventionelle, zentrale Kraftwerke dann überhaupt noch gebraucht? Ob und wie nachbarschaftlicher Stromhandel gelingen kann, untersucht ein Expertenteam aus Wirtschaft und Wissenschaft im Projekt BASE.V, das von der TU München geleitet wird. Eine wichtige Rolle spielt dabei auch die sonnenBatterie sowie die Vernetzung der Haushalte.

„Den Energiemarkt der Zukunft mitgestalten und gleichzeitig die dezentrale Energiewende vorantreiben“ – das verspricht das Forschungsprojekt BASE.V, das im April 2021 mit einem Feldversuch gestartet ist. Für das Projekt wurden sieben teilnehmende Haushalte aus dem oberpfälzischen Dietfurt von sonnen mit einer Photovoltaikanlage und der sonnenBatterie 10 ausgestattet. Dazu kommen ein Elektroauto von sonnenDrive und ein sonnenCharger. Anschließend wurden diese Haushalte mit einem virtuellen Ortsnetz verbunden. So wird simuliert, dass sich alle Haushalte an ein und demselben Netzstrang befinden. Ein Netzstrang ist ein kleiner Teil eines Stromnetzes, über den einige Haushalte – zum Beispiel ein Straßenzug – mit dem Stromnetz verbunden sind. Und damit natürlich auch untereinander. So kann untersucht werden, welche Auswirkungen die Produktion von PV-Strom, der Verbrauch eines Haushaltes oder das Einspeisen von Strom aus einem Speicher auf diesen Netzstrang hat. Außerdem wird angenommen, dass die Haushalte ihren Strom nachbarschaftlich handeln können, ein Vorgang, der heute außerhalb eines Projektes wie BASE.V regulatorisch nicht möglich ist.

Alle Beteiligten des BaseV Projekts mit eine PV-Modul und einem Elektroauto.

Das Projektteam von Base.V (von links): Fabian Hartmann (Bayernwerk Netz), Tariq Almomani (TU München), Tamika Balken (sonnen), Wolfgang Maierhofer (Bayernwerk Netz), Martin Jenkner (Moxa), Stefan Englberger (TU München). Foto: C. Martens / Bayernwerk

In der Theorie bringt dieses Modell einige Vorteile mit sich. Die Haushalte können sich gegenseitig mit sauberem Solarstrom versorgen. Durch den gemeinsamen Energieaustausch machen sich die Haushalte so unabhängig wie möglich von externen Energieversorgern und sorgen dafür, dass nur noch ein sehr kleiner Stromanteil zugekauft werden muss. Das rechnet sich gerade bei steigenden Stromkosten in der Regel auch finanziell. Damit das alles gelingen kann, bedarf es eines intelligenten Energiemanagements sowie einer Möglichkeit, den Strom zu speichern. Denn damit Haushalte den Strom, der auf dem eigenen Dach produziert wird, zu jeder Tageszeit und auch unabhängig vom Wetter nutzen können – z.B. in der Nacht – kommt die sonnenBatterie ins Spiel. Sie sorgt dafür, dass die Solarenergie dann genutzt werden kann, wenn sie tatsächlich benötigt wird. Als Komplettsystem mit einem intelligenten Energiemanager optimiert sie die Energieversorgung. Ein Haushalt kann damit seinen Energiebedarf bis zu etwa 75 Prozent mit dem selbst produzierten Strom aus der eigenen Solaranlage decken und damit das Haus über viele Stunden mit sauberer Energie versorgen. Bei BASE.V wird die intelligente Steuerung der Energieversorgung von einem projekteigenen Energie-Management-System übernommen.

Die Haushalte der Projektteilnehmer sind virtuell miteinander vernetzt. Dadurch kann überschüssiger Strom innerhalb der Nachbarschaft effizient gehandelt werden. Wenn ein Haushalt beispielsweise an einem Tag weniger Strom verbraucht, als er über die eigene PV-Anlage erzeugt, dann lässt sich der Strom entweder speichern oder er kann der Nachbarschaft angeboten werden. Ein Ziel des Projektes ist es daher herauszufinden, welche dieser Optionen zum jeweiligen Zeitpunkt am wirtschaftlichsten für den Haushalt sind.

In der Theorie verspricht der nachbarschaftliche Stromhandel auch positive Effekte für das Stromnetz. Dieser Aspekt wird ebenfalls bei BASE.V untersucht. Durch die Einspeicherung muss der Strom nicht sofort ins Netz eingespeist werden – was insbesondere zu Spitzenzeiten am Mittag sinnvoll ist, damit das Netz nicht überlastet wird. Stattdessen lässt sich der Strom dann verbrauchen, wenn er wirklich benötigt wird – im eigenen Haushalt, oder in der Nachbarschaft. Außerdem kann die Last verschoben werden, zum Beispiel durch das Laden eines Elektroautos. Die Bayernwerk Netz GmbH, der regionale Netzbetreiber, hat deshalb im Rahmen des Projektes virtuelle variable Netzentgelte geschaffen. Das hat zur Folge, dass das netzdienliche Verhalten der Haushalte durch die Speicherung des Stroms und die intelligente Steuerung finanziell belohnt werden kann. Dadurch wird der nachbarschaftliche Stromhandel noch lukrativer und das Netz wird weniger belastet. Aufgrund der aktuellen Regulatorik sind diese finanziellen Entlohnungen in der Praxis so nicht möglich und finden momentan ausschließlich im Forschungsrahmen experimentelle Anwendung.

Ein weiterer Untersuchungsgegenstand von BASE.V ist das Engpassmanagement in lokalen Stromnetzen. Mit diesem Instrument können Netzbetreiber vermeiden, dass das Netz durch Engpässe an bestimmten Schwerpunkten überlastet wird. Das kann man sich ungefähr so vorstellen wie einen Stau auf der Autobahn, der durch eine gesperrte Spur verursacht wird, und der Verkehr demzufolge verlangsamt wird – oder sogar zum Stillstand kommt. Innerhalb des simulierten Nachbarschaftsstrommarktes lösen die miteinander vernetzten sonnenBatterien solche Engpässe auf. Zusätzlich wird auch der Speicher des Elektroautos als planbare Last im Projekt genutzt. Damit lässt sich überschüssige Energie gezielt speichern oder auf große Lasten wie Elektroautos verteilen, sodass sie gar nicht erst ins Stromnetz gelangt und so Überlastungen im Stromnetz verhindert werden. Durch Einstellen eines Fahrplanes der Verfügbarkeit des Autos kann die Batterie zu netzgünstigen Zeiten geladen werden – mithilfe des intelligenten sonnenChargers.

Basis für diese Vernetzung ist die sonnenVPP-Technologie. Damit können nicht nur Stromspeicher einer kleinen Gemeinde, sondern tausende Heimspeicher zu einem virtuellen Kraftwerk gebündelt werden. Das setzt sonnen heute bereits in der Praxis um, zum Beispiel mit der sogenannten Primärregelleistung (FCR), mit der die Frequenz des Stromnetzes stabilisiert wird. Damit kann ein virtuelles Kraftwerk Aufgaben übernehmen, die bislang Großkraftwerken (z.B. Kohle) vorbehalten war.

Neben sonnen sind weitere Projektpartner an BASE.V beteiligt. Die Bayernwerk Netz GmbH analysiert die Auswirkungen auf das Stromnetz, während die Moxa Europe GmbH für die Datenübertragung verantwortlich ist. Die Professur für elektrische Energieversorgungsnetze am zugehörigen Lehrstuhl der Technischen Universität München begleitet das Projekt von wissenschaftlicher Seite. Gefördert wird BASE.V vom bayerischen Wirtschaftsministerium.