E-Autos als Stromspeicher: So funktioniert der neue Kraftwerksblock unseres sonnenVPP
Deutschlands Privathaushalte rüsten auf und machen sich bereit für eine klimaneutrale Zukunft. Während wir 2022 so viele sonnenBatterien verkauft haben wie nie zuvor, boomte auch die Elektromobilität mit über 470.500 BEV-Neuzulassungen weiter [1]. Gute Vorzeichen für die Energiewende. Gleichzeitig werden jedoch auch diejenigen Stimmen lauter, die befürchten, dass unser Energiesystem der rasanten Entwicklung nicht gewachsen ist. So mahnt die Bundesnetzagentur erneut zu Jahresbeginn: „Wenn weiter so viele neue Wärmepumpen und Ladestationen installiert werden, dann sind lokale Stromausfälle im Verteilnetz zu befürchten, falls wir nicht handeln.“ [2] Um das Szenario abzuwenden und Ladespitzen abzufedern, soll E-Autofahrer*innen der Ladestrom gedrosselt werden. Ein Ärgernis für alle, die auf erneuerbare Energien umgestiegen sind und nun Gefahr laufen, für ihre Entscheidung abgestraft zu werden. Ohne Entschädigung. Der Netzstabilität zuliebe.
Dass es mit einem intelligenten Netz auch anders geht, haben wir mit unserer jüngsten Erweiterung des sonnenVPPs bewiesen. Die Idee ist bekannt: Den steigenden Stromverbrauch netzverträglich zu steuern, anstatt ihn einzuschränken – zum Beispiel mit Hilfe von Autos als zusätzliche Speicher. Was bislang jedoch nicht über Testprojekte hinaus gelungen ist, haben wir nun in die Praxis überführt. In Kooperation mit dem Netzbetreiber TenneT konnten wir erstmals erfolgreich Elektroautos von Mitgliedern der sonnenCommunity zusammenschalten und als zusätzliches Speicherpotenzial in das virtuelle Kraftwerk, das sonnenVPP, integrieren. Mit dem neuen, mobilen Kraftwerksblock wird das Elektroauto von der Belastungsprobe zur entscheidenden Erweiterung des Energiesystems. Gleichzeitig beschleunigt die zusätzliche Speicherlösung den Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energieträger.
Warum brauchen wir zusätzliche Stromspeicher?
Ab 2035 sollen EU-weit keine Verbrenner mehr neu zugelassen werden. Aber wie sollen Millionen Elektroautos in unsere Stromnetze passen? Gerade in Haushalten hat es solche großen Verbraucher bisher nicht gegeben. Gleichzeitig sollen die riesigen Strommengen künftig zu 100 % aus Erneuerbaren Energien stammen. Doch selbst wenn wir genug PV-Anlagen installiert und Windräder errichtet haben: Die Stromerzeugung aus Wind- oder Sonnenenergie folgt im Gegensatz zu fossilen Quellen ihren ganz eigenen Regeln. Wenn keine Sonne scheint, wird nicht produziert – obwohl grade in den Abendstunden viel Strom benötigt wird. Wenn viel Sonne scheint, wird viel produziert – aber möglicherweise gar nicht gebraucht. Um die Versorgung zu gewährleisten, ist es aber wichtig, Stromverbrauch und -erzeugung in der Waage zu halten. Der Gradmesser dafür ist die Netzfrequenz; liegt sie stabil bei 50 Hertz, befinden sich Angebot und Nachfrage im Einklang. Schwankt sie stark in die eine oder andere Richtung, bricht im schlimmsten Fall das Netz zusammen. Ein Blackout wäre die Folge.
Das virtuelle Kraftwerk („virtual power plant“, kurz: „VPP“) von sonnen wirkt regulierend auf die volatile Stromerzeugung. Die vernetzten Stromspeicher kommunizieren miteinander, nehmen überschüssige Strommengen auf und „haushalten“ mit ihnen so klug, dass die Energie aus Solar- oder Windstrom zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort ist. Diese Technologie befähigt die Speicher dazu, sogenannte Frequency Containment Reserve (FCR), zu Deutsch Primärregelleistung, zu erbringen. Es handelt sich dabei um eine systemrelevante Netzdienstleistung, die höchste technische und sicherheitsrelevante Anforderungen erfüllen muss. Das sonnenVPP liefert damit einen wichtigen Beitrag zur Netzstabilität.
Je mehr Strom wir benötigen und produzieren, desto mehr Speicherkapazität und desto mehr intelligente Steuerung benötigen wir, um dafür zu sorgen, dass der Strom immer dann da ist, wenn er gebraucht wird. Das würde auch bedeuten, dass er in dem Fall nicht durch fossile Stromerzeugnisse ausgeglichen werden muss – ein bedeutender Aspekt mit Blick auf die Energiewende.
Dieses Gleichgewicht im Stromnetz wird durch den Hochlauf der E-Mobilität in besonderem Maße herausgefordert. Aber ist das Auto wirklich das Problem? So einfach wollen wir es uns bei sonnen nicht machen und heben erstmals das in tausenden Privathaushalten verborgene „Garagenpotenzial“.
Wie stabilisieren E-Autos das Energiesystem der Zukunft?
Elektromobilität wird aktiver Teil des Energiesystems
Elektroautos haben große Batterien und können viel Energie speichern. Wenn man mehrere Autos digital miteinander verbindet, entsteht eine Art „Super-Batterie“ mit enormem Speicherpotenzial. Gemeinsam mit dem Netzbetreiber TenneT haben wir erstmals private Elektrofahrzeuge an Deutschlands größtes, auf Haushalten basierendes virtuelles Kraftwerk angeschlossen. Die Autos werden von den ersten Kund*innen aus der sonnenCommunity normal im Alltag eingesetzt und sind nun aktiver Teil des Stromnetzes. Zusätzlich zu den Heimspeichern nehmen sie überschüssigen Strom flexibel und netzverträglich auf und lenken ihn dadurch dorthin, wo er ohnehin benötigt wird. Den Anfang haben ausgewählte Ladestationen (sonnenCharger) im Netzgebiet von TenneT gemacht, die wir samt angeschlossener E-Autos in das virtuelle Kraftwerk integriert haben. Mit dieser Maßnahme gehen wir die Energiewende einmal mehr tatkräftig und lösungsorientiert an. Im nächsten Schritt werden wir das Potenzial von weiteren über 5.000 sonnenChargern als zusätzliche Speicher für das virtuelle Kraftwerk nutzen. Das entspricht derzeit in Kombination mit den vernetzten sonnenBatterien einer Leistung von etwa 70 bis 80 Megawatt. Zum Vergleich: Netzbetreiber TenneT hat insgesamt einen Primärregelleistungsbedarf von 170 Megawatt.
Privates Charging neu gedacht. In zwei Schritten zur Netzstabilität
Die digitale Vernetzung hat noch einen weiteren entscheidenden Vorteil, der dazu beiträgt, dass Drosselungsmaßnahmen obsolet werden können. Die Fahrzeuge können sich untereinander absprechen. Dadurch wird der bisherige Ladevorgang neugestaltet. Im ersten Schritt verteilen wir die Ladevorgänge aller angeschlossenen Elektroautos gleichmäßig über einen längeren Zeitraum und verhindern so Lastspitzen zu einer bestimmten Tageszeit. Gerade in den Nachtstunden macht das Sinn, da die Fahrzeuge lange Standzeiten haben und es den meisten Fahrer*innen egal sein dürfte, ob in der dunklen Garage um 1 Uhr oder um 3 Uhr geladen wird. Sie geben lediglich an, wann sie ihr Auto in der Früh wieder benötigen, um zur Arbeit zu fahren oder die Kinder zur Schule zu bringen. Außerdem kann in der Nacht zum Beispiel überschüssiger Windstrom genutzt werden. Dadurch werden Erneuerbare Energien gestärkt. Im nächsten Schritt werden dann Frequenzabweichungen des Stromnetzes ausgeglichen. Das so gesteuerte Ladeverhalten stabilisiert das Stromnetz gleich auf zwei Ebenen, und das ohne Einschränkungen für die Nutzung der Fahrzeuge.
Kilowattstunde adé: Die neue Währung im Energiesystem heißt Flexibilität
Dadurch, dass die Schnittstelle zum sonnenVPP offen für verschiedenste Fahrzeugmodelle und Hersteller ist, können fast alle Autofahrer:innen teilnehmen, die eine sonnenBatterie, einen sonnenCharger und die sonnenFlat haben. Mit der Einbindung der E-Autos können weitere Vergütungsmodelle entwickelt werden. Zudem bieten sonnenCharger dieselben Möglichkeiten wie sonnenBatterien, um von der FCR-Erbringung zu profitieren. Durch die FCR-Vermarktung eröffnet sich zusätzliches Sparpotenzial zum ohnehin schon günstigen Nachtstrom.
Epochaler Nutzen für die Verkehrs- und Energiewende
Spätestens jetzt muss jedem klar sein: Elektroautos sind nicht das Problem, sondern die Lösung. Durch intelligente Einbindung werden sie vom reinen Konsumenten zum doppelten Boden für das Energiesystem der Zukunft. Wird das Netz aus Speichern konsequent weitergesponnen, ist dies ein Schritt, der in seiner Tragweite dem Beginn des Internetzeitalters gleichkommen könnte. Denn erst durch die Verbindung vieler einzelner Anlagen kann das volle Potenzial der erneuerbaren Energien ausgeschöpft werden. Es trägt zur Stabilisierung der Stromnetze bei und liefert gleichzeitig eine fortschrittliche Antwort auf die Frage der Integration einer hohen Zahl an Elektrofahrzeugen in unser Energiesystem. Mehr noch: So fördern vernetzte, dezentrale Energiesysteme die Einbindung von Erneuerbaren Energien, die für unser aller Zukunft so wichtig ist. Und beschleunigen damit die Energiewende.
Und in Zukunft? Die Teilnahme am FCR-Markt durch „unidirektionalen“ Laden (reines Beladen) von E-Autos ist der erste wichtige Schritt und es wird Zeit, ihn endlich zu gehen. Das macht sonnen schon heute. Dabei wird zu keiner Zeit Energie aus dem Auto entnommen, sodass die Batterien nicht darunter leiden. Das sogenannte bidirektionale Laden, bei dem der Strom auch wieder ins Netz eingespeist wird, würde bei dem derzeitigen Stand der Technik die Anzahl der Ladezyklen negativ beeinflussen. Denn für Autobatterien gelten andere Anforderungen als für Heimspeicher, bei denen bidirektionales Laden unproblematisch ist. Während sonnen sogenannte LFP-Batterien für die Heimspeichersysteme nutzt, die durch ihre Modultechnik außerordentlich sicher und langlebig sind, müssen Autobatterien ein optimales Verhältnis von Gewicht, Platz und Leistung aufbringen. Das macht sie für Verschleiß durch häufiges Be- und Entladen weitaus anfälliger. Doch auch im Bereich der Antriebsbatterien gehen die Forschungen voran und irgendwann wird das bidirektionale Laden, das aktuell noch in den Kinderschuhen steckt, Fahrzeuge zu pulsierenden Energiezellen befördern. Bis es so weit ist, geht die sonnenCommunity weiter voraus und gestaltet mit zukunftsweisenden Lösungen aktiv die Energiewende.
Mehr darüber, wie sonnen gemeinsam mit TenneT die erstmalige Einbindung von E-Autos in das Stromnetz gelang, lesen Sie in unserer Pressemitteilung.
Quellen:
[1] Kords, Martin, 2023: Neuzulassungen von Elektroautos in Deutschland, auf statista.com (https://de.statista.com/statistik/daten/studie/244000/umfrage/neuzulassungen-von-elektroautos-in-deutschland/)
[2] AFP, 2023: „Überlastungsprobleme zu befürchten“: Netzagentur-Chef warnt vor Stromausfällen durch Elektroautos und Wärmepumpen, auf tagesspiegel.de (https://www.tagesspiegel.de/politik/bundesnetzagentur-muller-warnt-vor-stromausfallen-durch-elektroautos-und-warmepumpen-9185232.html)